Urteile
  • BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08

Recht der Erneuerbaren Energien

BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08

Hier befindet sich der Abdruck des Bundesadlers

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

VIII ZR 246/08

Verkündet am:

14. Juli 2010

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

BGHZ: ja

BGHR: ja

BGB § 307 Abs. 1 Cb; AVBGasV § 4 Abs. 1 und 2; GasGVV § 5 Abs. 2

a) Eine Preisanpassungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bzw. für die Grundversorgung bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV unverändert in einen formularmäßigen Gassondervertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB dar (Bestätigung der Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, WM 2009, 1717, und VIII ZR 56/08, WM 2009, 1711).

b) Die von einem Energieversorgungsunternehmen in Erdgassonderverträgen ver-wendete Klausel

"Der Erdgaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der Preise der EWE AG für die Grundversorgung eintritt; es ändert sich der Arbeitspreis um den gleichen Betrag in Cent/kWh, der Grundpreis um den gleichen Betrag in Euro/a. Die Preisänderung wird zu dem in der öffentlichen Bekanntgabe über die Änderung der Erdgaspreise genannten Zeitpunkt wirksam.

...

Im Falle einer Preisänderung hat der Kunde ein Sonderkündigungsrecht. Der Kunde ist berechtigt, das Vertragsverhältnis mit zweiwöchiger Frist zum Wirksamwerden der Preis-änderung zu kündigen."

hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand.

BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08 - OLG Oldenburg

LG Oldenburg

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger sowie die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung des wei-ter gehenden Rechtsmittels wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 5. September 2008 im Kos-tenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der vor dem 1. April 2007 in den jeweiligen Vertragsverhältnissen erfolgten Preiserhöhungen zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Auf die Revision der Kläger zu 2, 3, 4, 5, 7, 8, 9, 12, 14, 15, 16, 20, 21, 24, 25, 27, 31, 33, 35, 36, 37, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 55, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65 und 66 wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der vorgenannten Kläger entschie-den worden ist. Dies gilt nicht, soweit die Klage der Kläger zu 14, 24, 43, 55, 58 und 63 hinsichtlich der Preiserhöhung vom 1. Au-gust 2008 abgewiesen worden ist. Insofern wird die Revision die-ser Kläger zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen. Die Kläger werden als Endverbraucher von dem beklagten Energieversorgungsun-ternehmen zum "Sondertarif I" (ab 1. April 2007 "EWE Erdgas classic") lei-tungsgebunden mit Erdgas beliefert. Die Beklagte verwendete Auftragsformula-re für die Herstellung von neuen Gasanschlüssen, in denen es auszugsweise heißt:

"Es wird die Versorgung mit Erdgas zum Sondertarif der EWE [= Beklagte] bean-tragt.

Der Auftrag erfolgt aufgrund der "Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Elektrizitäts- und Gasversorgung von Tarifkunden" (AVBEltV/AVBGasV) vom 21. Juli 1979 einschließlich der "Ergänzenden Bestimmungen der EWE Aktien-gesellschaft" in jeweils gültiger Fassung".

2

Ferner verwendete die Beklagte Vertragsbestätigungen, in denen die AVBGasV als Grundlage des Vertragsverhältnisses bezeichnet wurde.

3

Seit 1. April 2007 verwendet die Beklagte "Allgemeine Geschäftsbedin-gungen für die Lieferung von Energie … außerhalb der Grundversorgung". Die-se lauten auszugsweise wie folgt:

"1. Vertragsgrundlage für die Energielieferung

Die Lieferung von Erdgas erfolgt auf der Grundlage der Verordnung über allge-meine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Er-satzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverord-nung - GasGVV vom 26.10.2006 (BGBl. I S. 2396)), …, sofern in diesen "Allge-meinen Geschäftsbedingungen …" sowie in den Ergänzenden Bedingungen der EWE AG [= Beklagte] nichts anderes geregelt ist.

3. Vertragslaufzeit und Kündigung

Der Erdgaslieferungsvertrag hat eine Laufzeit von sechs Monaten gerechnet ab Lieferungsbeginn. Er verlängert sich automatisch jeweils um einen Monat, wenn er nicht von einer Vertragspartei gekündigt wird. Es gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende des jeweiligen Ablaufs.

Die Möglichkeit zur Kündigung anlässlich von Preisanpassungen bzw. im Falle eines Umzugs gemäß … GasGVV bleibt unberührt.

4. Preisänderung

Der Erdgaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der Preise der EWE AG für die Grundversorgung eintritt; es ändert sich der Arbeitspreis um den gleichen Betrag in Cent/kWh, der Grundpreis um den gleichen Betrag in Euro/a. Die Preisände-rung wird zu dem in der öffentlichen Bekanntgabe über die Änderung der Erd-gaspreise genannten Zeitpunkt wirksam.

Im Falle einer Preisänderung hat der Kunde ein Sonderkündigungsrecht. Der Kunde ist berechtigt, das Vertragsverhältnis mit zweiwöchiger Frist zum Wirk-samwerden der Preisänderung zu kündigen."

4

Die Beklagte erhöhte seit dem 1. September 2004 in mehreren Schritten einseitig gegenüber den Klägern die Arbeitspreise für das von ihr gelieferte Erdgas. Mit ihrer Klage haben die Kläger die Feststellung begehrt, dass die zwischen ihnen und der Beklagten jeweils bestehenden Gasversorgungsverträ-ge über den 31. August 2004 hinaus (hinsichtlich der Kläger zu 23 und 58: über den 31. Juli 2005 hinaus) zu einem nicht höheren als dem bis dahin von der Beklagten geltend gemachten Arbeitspreis im Sondertarif I bis zur nächsten auf die mündliche Verhandlung folgenden Preisänderung der Beklagten gegenüber den Klägern fortbestehen. Hilfsweise haben die Kläger die Feststellung bean-tragt, dass die von der Beklagten zum 1. September 2004 bekannt gemachte Preiserhöhung sowie ihre nachfolgend bekannt gemachten Preiserhöhungen des Gaspreises im Sondertarif I unbillig sind und die von der Beklagten seither geforderten Gaspreise nicht dem Erfordernis des § 315 Abs. 3 BGB entspre-chen, beziehungsweise festzustellen, dass die Kläger bis zur Bestimmung eines der Billigkeit entsprechenden Gaspreises durch das Gericht nicht verpflichtet sind, die von der Beklagten seit dem 1. September 2004 bekannt gemachten erhöhten Gaspreise zu zahlen.

5

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen haben die Kläger - außer den Klägern zu 1, 11, 26, 34, 38 und 56 - Berufung eingelegt. Die Klä-ger zu 13, 17, 18 und 19 haben ihre Berufung später zurückgenommen. Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass die zwischen den nach-stehend aufgeführten Klägern und der Beklagten jeweils bestehenden Gasver-sorgungsverträge zu einem nicht höheren als dem bis dahin von der Beklagten geltend gemachten Arbeitspreis im Sondertarif I fortbestehen (mit Ausnahme der im Hinblick auf den erhöhten Mehrwertsteuersatz erfolgten Preiserhöhung zum 1. Januar 2007, hinsichtlich derer die Klage zurückgenommen worden ist), und zwar für folgende Zeiträume:

- für die Kläger zu 6, 10, 22, 29, 30, 32, 47 und 54 über den 31. August 2004 hinaus;

- für die Kläger zu 2, 3, 5, 7 bis 9, 16, 20, 21, 23, 25, 27, 28, 31, 33, 35 bis 37, 40 bis 42, 45, 46, 48 bis 53, 57, 60 bis 62, 64, 65 über den 31. Juli 2005 hinaus;

- für die Kläger zu 4, 12, 15, 39, 44, 59 über den 31. Januar 2006 hinaus;

- für den Kläger zu 66 über den 31. März 2007 hinaus;

- für die Kläger zu 14 sowie 43 über den 31. Juli 2005 hinaus bis zur Preisände-rung der Beklagten vom 1. August 2008;

- für die Kläger zu 24, 55, 63 über den 31. August 2004 hinaus bis zur Preisän-derung der Beklagten vom 1. August 2008;

- für den Kläger zu 58 über den 31. Januar 2006 hinaus bis zur Preisänderung der Beklagten vom 1. August 2008.

6

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Be-klagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Kläger zu 2, 3, 4, 5, 7, 8, 9, 12, 14, 15, 16, 20, 21, 24, 25, 27, 31, 33, 35, 36, 37, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 55, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65 und 66 wenden sich mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision gegen das Berufungsurteil, soweit ihre Berufung erfolglos geblieben ist, und verfolgen ihre Klageanträge in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

7

Die Revision der Beklagten hat teilweise, die Revision der Kläger hat überwiegend Erfolg. Die Rechtsmittel führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A.

8

Das Berufungsgericht (OLG Oldenburg, RdE 2009, 25 = OLGR 2008, 885) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

9

Die Klage sei zulässig. Die Kläger hätten ein rechtliches Interesse (§ 256 ZPO) an der Feststellung, dass die Zahlungsansprüche der Beklagten nicht in der von ihr geltend gemachten Höhe bestehen. Die Klage sei auch begründet, soweit die Kläger einzelnen Preiserhöhungen zumindest konkludent widerspro-chen hätten.

10

Die Kläger seien nicht Tarifkunden, sondern (Norm-)Sonderkunden der Beklagten. Dies gelte auch für die Zeit, in der die Beklagte den Verträgen die AVBGasV zugrunde gelegt habe. Die Sondervereinbarungen, die die Beklagte jeweils mit den Klägern getroffen habe, fielen ausdrücklich nicht unter die Grund- und Ersatzversorgung im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes. Sie seien auch kein "allgemeiner Tarif" im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes. Die streitgegenständlichen Verträge würden auch nicht deshalb zu Tarifkun-denverträgen, weil die Beklagte die Sonderkonditionen einer unbestimmten Vielzahl von Kunden einräume und Preiserhöhungen öffentlich bekannt mache. Auf Sonderkunden finde die AVBGasV keine unmittelbare Anwendung. Auch die GasGVV regele nicht die Bedingungen im Sonderkundenbereich. Das Preisbestimmungsrecht, das die Beklagte für sich in Anspruch nehme, ergebe sich daher nicht aus einer gesetzlichen Regelung. Erforderlich sei damit eine vertragliche Vereinbarung, und zwar entweder durch eine ausdrückliche Be-stimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten oder eine darin enthaltene Bezugnahme auf anderweitige Regelungen, die ein einseitiges Preisbestimmungsrecht begründeten.

11

Ob eine wirksame anfängliche Einbeziehung der AVBGasV in die jeweili-gen Vertragsverhältnisse stattgefunden habe, sei schon nach dem eigenen Vor-trag der Beklagten zweifelhaft. Dieser Punkt könne aber offen bleiben, weil es auf ihn nicht ankomme. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten un-terstellte, dass es zumindest nachträglich im Laufe der Vertragsbeziehungen zu einer wirksamen Einbeziehung der jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingun-gen für alle Kläger gekommen sei, führe dies nicht zu einem Preisanpassungs-recht der Beklagten. Insoweit sei hinsichtlich der in Anspruch genommenen Rechtsgrundlagen zu differenzieren:

12

Für die Zeit bis 31. März 2007, in der in den Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen der Beklagten auf die AVBGasV Bezug genommen worden sei, stüt-ze sich die Beklagte auf die Regelungen in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV. Für den Tarifkundenbereich sei höchstrichterlich entschieden, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV gesetzliche Regeln enthielten, die dem Versorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB gewährten. Für den hier in Re-de stehenden Sonderkundenbereich stellten die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV hingegen keine tauglichen Regelungen dar, auf die im Wege einer Bezugnahme zurückgegriffen oder über die ohne eine ergänzende ver-tragliche Bestimmung ein einseitiges Preisanpassungsrecht für die Beklagte begründet werden könne. Im Sonderkundenbereich hätte die Beklagte vielmehr ein solches Recht nur durch ausdrückliche Regelung in ihren Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen vereinbaren können. Überschrift und Wortlaut der Vor-schrift offenbarten nicht, dass der Verordnungsgeber in § 4 AVBGasV ein Preisanpassungsrecht habe schaffen wollen. Auch die Entstehungsgeschichte und der Regelungszusammenhang, in dem die Bestimmung stehe, rechtfertig-ten diese Schlussfolgerung nicht. Demgemäß sei die von der Beklagten für die Zeit bis einschließlich März 2007 praktizierte Bezugnahme in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die AVBGasV nicht geeignet gewesen, im Sonder-kundenbereich ein Preisanpassungsrecht zu begründen.

13

Für die Zeit ab dem 1. April 2007 leite die Beklagte ihr Preisanpassungs-recht aus einer Änderung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab. Da in Ziffer 4 der neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Preise im Be-reich der Grundversorgung Bezug genommen werde, könne die Regelung für sich allein betrachtet kein Preisänderungsrecht schaffen. Dieses Recht könne sich nur daraus ergeben, dass auf die GasGVV zurückgegriffen werde, auf die die Beklagte auch in Ziffer 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwei-se. Durch den Verweis auf § 5 Abs. 2 GasGVV könne ebenfalls kein Preisan-passungsrecht zugunsten der Beklagten begründet werden. Schon der Wortlaut gebe dies - ebenso wie bei § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV - nicht her. Im Übrigen könne § 5 Abs. 2 GasGVV aus einem weiteren Grund keine taugliche Regelung darstellen, um im Wege einer Bezugnahme im Sonderkundenbereich ein Preis-anpassungsrecht zu begründen. Denn durch die in § 39 Abs. 2 EnWG 2005 enthaltene Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der GasGVV werde der Verordnungsgeber im Gasbereich nicht zum Erlass von Regelungen ermächtigt, die ein Preisänderungsrecht des Versorgungsunternehmens begründeten.

14

Selbst wenn man eine wirksame vertragliche Einbeziehung der AVB-GasV und der GasGVV in die zwischen den Parteien bestehenden Vertrags-verhältnisse voraussetzte und weiter unterstellte, dass die Verweisungen auf die beiden Verordnungen grundsätzlich geeignet wären, ein Preisanpassungs-recht zu begründen, so hätte eine Überprüfung der Vorschriften anhand der §§ 305 ff. BGB zu erfolgen. Die von der Beklagten verwendeten Bestimmungen seien unwirksam, weil sie aus zwei Gründen gegen das Transparenzgebot ver-stießen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zum einen könne selbst der juristisch vor-gebildete Kunde aus § 4 AVBGasV sowie § 5 Abs. 2 GasGVV nicht mit der er-forderlichen Sicherheit entnehmen, dass der Versorger überhaupt ein einseiti-ges Preisanpassungsrecht zu seinen Gunsten begründen wolle. Zum anderen enthielten die genannten Bestimmungen kein einziges Kriterium, aus dem sich die sachlichen Voraussetzungen und der zulässige Umfang einer Preisände-rung ergeben könnten. Das gleiche gelte für die ergänzende Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Beklagte ab dem 1. April 2007 ihren Verträgen zugrunde legen wolle. Zwar heiße es dort, dass sich die Preise im Sonderkundenbereich in gleicher Weise änderten wie im Bereich der Grund-versorgung. Da es aber an einer transparenten Regelung für die Grundversor-gung fehle, erfasse dieser Mangel auch die Bestimmungen bezüglich der Son-derkunden.

15

Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass den Bestimmungen der AVBGasV und der GasGVV eine "Leitbildfunktion im weiteren Sinne" zukom-men könne und sie damit einen Hinweis darauf geben könnten, was auch im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern als im Einklang mit § 307 BGB anzu-sehen sei. Ein Leitbild für eine ausgewogene Regelung, die beiden Vertragssei-ten gerecht werde, müsse die Kriterien aufzeigen, nach denen die Anpassung der Preise stattfinden solle. Daran fehle es hier.

16

Die Intransparenz der Regelungen in § 4 AVBGasV und § 5 GasGVV werde auch nicht durch ein Kündigungsrecht der Kläger ausreichend kompen-siert. Dies scheide im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil den Klägern das Recht zur Lösung vom Vertrag nicht spätestens gleichzeitig mit der Preis-erhöhung, sondern erst nach deren Wirksamwerden zugebilligt werde. Auch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB könne keinen an-gemessenen Ausgleich für die fehlende Transparenz der Regelungen in § 4 AVBGasV und § 5 GasGVV bieten. Der Kunde könne mangels Kenntnis der Preiskriterien nicht beurteilen, ob eine gerichtliche Billigkeitsprüfung überhaupt Aussicht auf Erfolg habe.

17

Der Beklagten sei schließlich auch kein Preisänderungsrecht im Wege ergänzender Vertragsauslegung zuzubilligen. Eine ergänzende Vertragsausle-gung komme nur in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lasse und dies zu einem Ergebnis führe, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trage, sondern das Vertragsgefüge völlig ein-seitig zu Gunsten des Kunden verschiebe. Das sei nicht der Fall. Der Beklagten stehe das Recht zu, sich nach sechsmonatiger Vertragsdauer mit einer einmo-natigen Kündigungsfrist zum Ende des Halbjahres vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden sei, führe das nicht zu einem unzumutbaren Ergebnis.

18

Vor diesem Hintergrund gelte zum Erfolg der Klage für die einzelnen Kläger folgendes:

19

Den Klägern stünden die geltend gemachten Ansprüche - auch die Hilfs-ansprüche - nicht zu, soweit sie die einseitigen Preiserhöhungen der Beklagten und die darauf basierenden Jahresabrechnungen ohne Beanstandung in an-gemessener Zeit akzeptiert hätten, indem sie weiterhin Gas bezogen und die nachfolgenden Rechnungen bezahlt hätten. Hierdurch sei der einseitig erhöhte Preis zu einem zwischen den Parteien vereinbarten Preis geworden.

20

Die Kläger zu 6, 10, 22, 29, 30, 32, 47 und 54 obsiegten in vollem Um-fang, denn sie hätten rechtzeitig Widerspruch gegen die Preiserhöhungen er-hoben oder diese durch Zahlungsverweigerung oder Klageerhebung beanstan-det. Gleiches gelte für den Kläger zu 23, der allerdings die Preiserhöhung zum 1. September 2004 mit der Klage nicht angegriffen habe. Die Klageerhebung umfasse alle nachfolgenden Erhöhungen, da die Kläger hierdurch unmissver-ständlich zum Ausdruck gebracht hätten, dass sie die Preisänderungen nicht akzeptierten. Hinsichtlich der übrigen in der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens noch vertretenen Kläger gelte die Preiserhöhung zum 1. September 2004, teilweise auch noch spätere Preiserhöhungen, mangels rechtzeitiger Beanstandung als vereinbart. Von einigen Klägern könne auch die Preiserhöhung zum 1. August 2008 nicht mehr angegriffen werden, weil deren Vertragsverhältnisse mit der Beklagten zu diesem Zeitpunkt bereits beendet gewesen seien.

B.

21

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

22

I. Revision der Beklagten

23

Die Beklagte wendet sich gegen das Berufungsurteil, soweit das Beru-fungsgericht die den Klägern gegenüber vorgenommenen einseitigen Preiser-höhungen als unwirksam angesehen hat. Damit hat sie hinsichtlich der vor dem 1. April 2007 erfolgten Preiserhöhungen Erfolg.

24

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klage zulässig ist. Insbesondere haben die Kläger ein rechtliches Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO) an der Feststellung, dass die ihnen gegenüber vorgenom-menen Gaspreiserhöhungen unwirksam sind. Auf eine Leistungsklage können sie schon deshalb nicht verwiesen werden, weil das Rechtsschutzziel der hier gegebenen negativen Feststellungsklage mit einer Leistungsklage nicht erreicht werden kann (BGHZ 172, 315, Tz. 10).

25

2. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte nicht unmittelbar aufgrund des gesetzlichen Preisänderungsrechts (vgl. dazu Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, WM 2009, 1717, zur Veröf-fentlichung in BGHZ 182, 59 vorgesehen, Tz. 19, und VIII ZR 56/08, WM 2009, 1711, zur Veröffentlichung in BGHZ 182, 41 vorgesehen, Tz. 20) gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV zur Preisände-rung befugt war. Die bis zum 7. November 2006 geltenden Vorschriften der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas (AVBGasV; außer Kraft getreten gemäß Art. 4 der Verordnung zum Erlass von Regelungen des Netzanschlusses von Letztverbrauchern in Nieder-spannung und Niederdruck vom 1. November 2006, BGBl. I, S. 2477) und die danach geltenden Vorschriften der Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) sind nicht von Gesetzes wegen Vertragsbestandteil der zwischen den Parteien bestehenden Versorgungsverträge, weil es sich bei den Klägern nicht um Tarif-kunden (§ 1 Abs. 2 AVBGasV) oder Haushaltskunden im Rahmen der Grund-versorgung (§ 1 Abs. 1, 2 GasGVV) handelt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 12).

26

Wie der Senat nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat, kommt es für die Beurteilung, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Ver-tragsmustern und Preisen um Tarif- beziehungsweise Grundversorgungsverträ-ge mit allgemeinen Tarifpreisen (§ 6 Abs. 1 EnWiG 1935), Allgemeinen Tarifen (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998) oder Allgemeinen Preisen im Sinne von § 36 Abs. 1 EnWG 2005 handelt, darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versor-gungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rah-men der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 14 m.w.N.). Letzteres ist hier nach den rechtsfehler-freien Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.

27

Dagegen wendet die Beklagte ohne Erfolg ein, das Berufungsgericht ha-be unter Verstoß gegen § 286 ZPO den unter Beweis gestellten Beklagtenvor-trag übergangen, die Tarifeinstufung der Kunden sei bei der Beklagten automa-tisch verbrauchsabhängig nach dem Prinzip der Bestpreisabrechnung erfolgt, das typisch für die Versorgung von Tarif- beziehungsweise Grundversorgungs-kunden sei. Selbst wenn eine automatische Einstufung erfolgt sein sollte und - bei einem Verbrauch unter 5.000 kWh/Jahr - auch eine Einstufung in den Ba-sistarif der Beklagten denkbar gewesen wäre, änderte das nichts daran, dass es sich bei den im Streit stehenden Lieferverhältnissen aus der maßgeblichen Sicht der Kläger als Abnehmer um (Norm-)Sonderkundenverträge handelt. Denn die Kläger sind nach den von der Revision der Beklagten nicht angegrif-fenen Feststellungen des Berufungsgerichts zunächst zu einem von der Beklag-ten selbst ausdrücklich als "Sondertarif" bezeichneten Tarif beliefert worden. Bei dem für die Kläger seit 1. April 2007 maßgeblichen Tarif "EWE Erdgas clas-sic" handelt es sich schon ausweislich des Titels der von der Beklagten ver-wendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen um einen Tarif "außerhalb der Grundversorgung".

28

3. Für die Wirksamkeit der von den Klägern beanstandeten Preiserhö-hungen kommt es deshalb darauf an, ob die Beklagte sich wirksam vertraglich ein Preisänderungsrecht vorbehalten hat. Das ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt (dazu nachstehend unter 3 a aa) nur hin-sichtlich des Zeitraums vor dem 1. April 2007 der Fall.

29

Bei (Sonder-)Verträgen der Gasversorgung findet zwar gemäß § 310 Abs. 2 BGB eine Inhaltskontrolle nach §§ 308 und 309 BGB nicht statt, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von der Ver-ordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas (AVBGasV) abweichen, an deren Stelle die GasGVV getreten ist. Die Preisanpassungsregelungen unterliegen aber als Preisnebenabreden in jedem Fall der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 18, und VIII ZR 56/08, Tz. 17, jeweils m.w.N.). Insofern ist zwischen den unterschiedlichen Vertragsbedingungen in den Zeiträumen vor und nach dem 1. April 2007 zu unterscheiden:

30

a) In der Zeit vor dem 1. April 2007 verwendete die Beklagte Auftrags-formulare und Vertragsbestätigungen, in denen - ohne ausdrückliche Formulie-rung eines vertraglichen Preisanpassungsrechts - insgesamt auf die AVBGasV Bezug genommen wurde.

31

aa) Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob eine den Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB genügende Einbeziehung der AVBGasV in alle im Streit stehenden Vertragsverhältnisse erfolgt ist, und hat dies für die weitere Prüfung unterstellt. Deshalb ist - wie die Revision der Beklagten mit Recht geltend macht - die Einbeziehung der AVBGasV einschließlich der ein gesetzliches Preisänderungsrecht im Tarifkundenverhältnis begründenden Vorschriften des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (BGHZ 172, 315, Tz. 13 ff.) auch für das Revisions-verfahren zu unterstellen.

32

bb) Die durch vollständige Einbeziehung des Wortlauts der AVBGasV er-folgte Übernahme des in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV geregelten Preisände-rungsrechts des Versorgungsunternehmens in die zwischen den Parteien be-stehenden Sonderkundenverträge hält der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB stand.

33

(1) Eine Preisanpassungsklausel, die das gesetzliche Preisänderungs-recht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV unverändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB dar. Zwar genügt eine § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nachge-bildete vertragliche Preisanpassungsklausel nicht den Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt. Dies steht der unveränderten Übernahme von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV in einen Sonderkundenvertrag unter dem Ge-sichtspunkt einer unangemessenen Benachteilung des Sonderkunden (§ 307 Abs. 1 BGB) indes nicht entgegen (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 19, 23 f. m.w.N.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der teilweise im Schrifttum geäußerten Kritik (vgl. Markert, RdE 2009, 291, 293 f.; zustimmend hingegen Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3129; Rottnauer, EWiR 2009, 765, 766; Zabel, BB 2009, 2281 f.) fest. Sie steht (entgegen Mar-kert, aaO) nicht in Widerspruch zu § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB.

34

(a) Mit der Regelung des § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, es den Versorgungsunternehmen freizustellen, ihre Allgemei-nen Geschäftsbedingungen für Verträge mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Tarifabnehmer auszugestalten. Dahinter steht der Gedanke, dass Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbrau-cher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer (BT-Drs. 14/6040, S. 160). Den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedin-gungen für die Gasversorgung von Tarifkunden kommt deshalb ebenso wie denjenigen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie und den Nachfolgeregelungen der GasGVV für Sonderkundenverträge "Leitbildfunktion im weiteren Sinne" zu, auch wenn sie dafür unmittelbar nicht gelten (BGHZ 138, 118, 126 f.). Ein und dieselbe Regelung kann sich allerdings für Sonderabnehmer ungleich nachteili-ger auswirken als für Tarifkunden. § 310 Abs. 2 BGB verhindert daher die Überprüfung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung in einem Sonderabneh-mervertrag auf eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners an-hand der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB nicht. Diese ermöglicht es, Un-terschiede zwischen Tarif- und Sonderkunden zu berücksichtigen (BGHZ 138, 118, 123). Den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden ist deshalb Leitbildfunktion für Sonder-kundenverträge nicht pauschal beizumessen; vielmehr ist sie für jede einzelne in Rede stehende Bestimmung zu prüfen (BGHZ 176, 244, Tz. 25). Für das Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ist sie zu bejahen (dazu im Einzelnen Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 20 ff., und - für § 5 Abs. 2 GasGVV - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 22 ff.).

35

Der Gesetzgeber hat deshalb mit § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV selbst den Maßstab gesetzt, nach dem zu beurteilen ist, ob Sonderkunden durch eine Preisanpassungsklausel im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen be-nachteiligt werden. Stimmt die vertragliche Preisanpassungsklausel mit § 4 AVBGasV inhaltlich überein, das heißt, weicht sie davon nicht zum Nachteil des Abnehmers ab, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Sonderabneh-mers nicht vor (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 24 m.w.N.).

36

(b) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Markert, aaO, 294) ist es auch nicht erforderlich, die aus der Bindung an den Maßstab billigen Ermessens folgenden Anforderungen hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts in der Klausel tat-bestandlich zu konkretisieren. Insoweit sind - auch unter dem Gesichtspunkt der Transparenz - im Bereich von Sonderverträgen keine höheren Anforderungen an die Bestimmtheit und die Konkretisierung einer Preisanpassungsregelung zu stellen, als sie im Bereich der Tarifkundenversorgung durch § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV und im Bereich der Grundversorgung nunmehr durch § 5 GasGVV unmittelbar erfüllt werden. Dem Sonderkunden steht ebenso wie dem Tarifkun-den oder dem Grundversorgungskunden eine Überprüfung von einseitigen Preisänderungen nach § 315 BGB offen (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 24, und VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 27).

37

(2) Gemessen an diesen Grundsätzen hält die von der Beklagten bis zum 31. März 2007 - und damit nicht über die in § 115 Abs. 3 Satz 2, 3 EnWG 2005 geregelte Übergangsfrist für die Zeit nach Inkrafttreten der GasGVV hin-aus - verwendete Preisanpassungsregelung der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB stand, denn sie gewährleistet in jeder Hinsicht eine sachliche Gleichbehandlung von Tarifkunden und Sonderkunden. Durch die vollständige Einbeziehung des Wortlauts der AVBGasV wird das in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV geregelte Preisänderungsrecht unverändert in die zwischen den Parteien bestehenden Sonderkundenverträge übernommen. Die umfas-sende Einbeziehung der AVBGasV erstreckt sich auch auf das den Kunden für den Fall der Änderung der allgemeinen Tarife eingeräumte Kündigungsrecht gemäß § 32 Abs. 2 AVBGasV (vgl. dazu Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 32 f., und VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 33, 35).

38

b) Seit 1. April 2007 verwendet die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedin-gungen, nach denen die Lieferung auf der Grundlage der GasGVV erfolgt, so-fern in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie den Ergänzenden Be-dingungen der Beklagten nichts anderes geregelt ist. Ziffer 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthält eine ausdrückliche Regelung zur Preisänderung. Auch hinsichtlich dieser Bedingungen ist - mit dem Berufungsgericht - die ord-nungsgemäße Einbeziehung (§ 305 Abs. 2 BGB) in die zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisse zu unterstellen. Daraus ergibt sich aber kein Recht der Beklagten zur einseitigen Preisanpassung, denn die in Ziffer 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Preisänderungsbestimmung ist unwirksam, weil sie nicht hinreichend klar und verständlich ist und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB).

39

aa) Allerdings enthält § 5 Abs. 2 GasGVV entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ein gesetzliches Preisänderungsrecht (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 20) und stellt eine Preisanpassungsklau-sel in einem Sondervertrag, die dieses gesetzliche Preisänderungsrecht unver-ändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also nicht zum Nachteil des Kunden von der gesetzlichen Regelung des Preisänderungsrechts für den Grundversorger abweicht, keine unangemessene Benachteiligung des Sonder-kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB dar (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 21, 27). Diesen Anforderungen wird die von der Beklagten seit 1. April 2007 verwendete Preisanpassungsklausel in-dessen nicht gerecht.

40

bb) Zwar ergibt sich aus der Formulierung "Der Erdgaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der Preise der EWE AG für die Grundversorgung eintritt" hinreichend klar und verständlich, dass der Beklagten eine einseitige Preisan-passungsbefugnis zustehen soll. Aus der weiteren Formulierung "es ändert sich der Arbeitspreis um den gleichen Betrag in Cent/kWh, der Grundpreis um den gleichen Betrag in Euro/a" ist für die Kunden der Beklagten auch ersichtlich, dass die Änderungen des Arbeitspreises und des Grundpreises jeweils nominal an die Änderungen der entsprechenden Preise für die Grundversorgung gekop-pelt sein sollen.

41

(1) Daraus ergibt sich aber nicht, dass auch die gegenüber den Sonder-kunden der Beklagten erfolgenden Preisänderungen wie bei dem gesetzlichen Preisänderungsrecht nach § 5 Abs. 2 GasGVV der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 20; BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26). Bei kunden-feindlichster Auslegung kommt vielmehr auch ein Verständnis der Klausel in Betracht, nach dem der Beklagten wegen der festen Koppelung der Preisände-rungen an die Änderungen der Grundversorgungspreise kein Ermessensspiel-raum zusteht und deshalb keine Billigkeitskontrolle stattfindet (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2006 - VIII ZR 270/05, WM 2007, 40, Tz. 19).

42

(a) Mit diesem Inhalt hält die Klausel einer Prüfung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand, denn sie stellt keine unveränderte Übernahme des ge-setzlichen Preisänderungsrechts gemäß § 5 Abs. 2 GasGVV dar, weil es an der Möglichkeit der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB fehlt.

43

(b) Selbst wenn man die Klausel dahin verstehen wollte, dass aus der Koppelung an die Preisänderungen der Beklagten gegenüber Grundversor-gungskunden zugleich die Bindung auch der im Verhältnis zu Sonderkunden erfolgenden Preisänderungen an den Maßstab billigen Ermessens folgte, ver-stieße die Klausel gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB). Denn ein solcher Verstoß liegt unter anderem auch dann vor, wenn eine Formu-larbestimmung die Rechtslage irreführend darstellt und es dem Verwender da-durch ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in ihr getroffene Regelung abzuwehren (Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 284/04, NJW 2005, 3567, unter II 2; Staudinger/Coester, BGB (2006), § 307 Rdnr. 192; jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall, weil sich - wie bereits dargelegt - aus der Klausel nicht hinreichend deutlich ergibt, dass die Preisänderungen der Billig-keitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterliegen und dem Kunden damit ei-ne gerichtliche Überprüfung möglich ist.

44

(2) Die Preisanpassungsregelung der Beklagten entspricht auch im Übri-gen inhaltlich nicht in vollem Umfang der Regelung in § 5 Abs. 2 GasGVV. Da-nach werden Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedin-gungen jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfol-gen muss (Satz 1). Ferner ist der Grundversorger verpflichtet, zu den beabsich-tigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Inter-netseite zu veröffentlichen (Satz 2). Diese Vorschriften gewährleisten im Zu-sammenhang mit der Regelung in § 20 Abs. 1 Satz 1 GasGVV, nach der der Grundversorgungsvertrag mit einer Frist von einem Monat auf das Ende eines Kalendermonats gekündigt werden kann, dass dem Grundversorgungskunden im Falle einer Preisänderung zwei Alternativen offen stehen. Er kann entweder am Vertrag festhalten und die Preisänderung gemäß § 315 BGB auf ihre Billig-keit hin überprüfen lassen. Oder er kann sich spätestens gleichzeitig mit dem Wirksamwerden der Preisänderung vom Vertrag lösen und den Anbieter wech-seln (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 35 f.).

45

(a) Davon weicht die in Ziffer 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten getroffene Regelung zum Nachteil der Kunden ab. Denn danach wird die Preisänderung "zu dem in der öffentlichen Bekanntgabe über die Ände-rung der Erdgaspreise genannten Zeitpunkt wirksam". Die Bekanntgabe muss somit nicht mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung, die Änderung nicht zum Monatsbeginn erfolgen. Unerwähnt bleiben die in § 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV geregelten weiteren Pflichten (briefliche Mitteilung, Ver-öffentlichung im Internet). Ob § 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV Anwendung findet, weil die Gasgrundversorgungsverordnung gemäß Ziffer 1 der Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen gelten soll, soweit in diesen nichts anderes geregelt ist, ist jedenfalls unklar (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn bei der ausdrücklichen Preis-anpassungsregelung in Ziffer 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt es sich aus Sicht des Kunden um eine vorrangige und insoweit abschließende Regelung (vgl. BGHZ 179, 186, Tz. 17; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 31). Die unveränderte Übernahme von § 5 Abs. 2 GasGVV in einen formularmäßigen Erdgassondervertrag muss aber auch die in § 5 Abs. 2 Satz 2 GasGVV geregelten Mitteilungspflichten des Gasversorgungsunterneh-mens erfassen. Diese Pflichten sind auch im Verhältnis zu Sonderkunden von wesentlicher Bedeutung, weil diese ebenso wie Grundversorgungskunden ein Interesse daran haben, rechtzeitig über Preisänderungen informiert zu werden, um gegebenenfalls einen zügigen Lieferantenwechsel einleiten zu können (Se-natsurteil vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 326/08, unter B II 4 b bb).

46

(b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kunden in der Preisanpassungsklausel ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt wird, das ihn berechtigt, "das Vertragsverhältnis mit zweiwöchiger Frist zum Wirksamwerden der Preisänderung zu kündigen". Diese Regelung weicht schon deshalb zum Nachteil des Kunden von den Regelungen in § 5 Abs. 2, § 20 Abs. 1 Satz 1 GasGVV ab, weil sie nicht gewährleistet, dass dem Kunden ein Zeitraum von mindestens sechs Wochen ab Bekanntgabe und Mitteilung der beabsichtigten Änderung zur Einleitung eines Lieferantenwechsels zur Verfü-gung steht. Den Sonderkunden muss aber im Zusammenhang mit einer ent-sprechend den Regelungen der GasGVV gestalteten Preisanpassungsregelung ein § 20 Abs. 1 Satz 1 GasGVV entsprechendes Kündigungsrecht eingeräumt werden, um eine sachliche Gleichbehandlung von Grundversorgungskunden und Sonderkunden in jeder Hinsicht zu gewährleisten (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 36).

47

Auch die Kündigungsregelung in Ziffer 3 sowie die allgemeine Verwei-sung auf die Vorschriften der GasGVV in Ziffer 1 der Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen führen nicht zu einem anderen Ergebnis, denn die Einräumung eines Sonderkündigungsrechts für den Fall einer Preisänderung in Ziffer 4 der Allge-meinen Geschäftsbedingungen stellt aus Sicht eines Durchschnittskunden eine abschließende Regelung dar, so dass zumindest unklar ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), ob die Kündigungsregelung in Ziffer 3 oder das Kündigungsrecht gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 GasGVV im Falle einer Preisänderung Anwendung finden (vgl. BGHZ 179, 186, Tz. 23).

48

(c) Deshalb kann das Kündigungsrecht auch nicht als Kompensation für die unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten dienen, die sich daraus ergibt, dass die Preisanpassungsregelung als solche zum Nachteil der Kunden von den Regelungen der GasGVV abweicht.

49

4. Ein einseitiges Preisänderungsrecht der Beklagten lässt sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung herleiten.

50

Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil ge-worden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam und richtet sich sein Inhalt gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Dazu zählen zwar auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 75 zu der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 2 AGBG). Eine ergänzende Ver-tragsauslegung kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Weg-fall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Ge-setzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseiti-gen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (BGHZ 90, 69, 77 f.; 137, 153, 157). Das ist hier nicht der Fall.

51

a) Gemäß Ziffer 3 der seit dem 1. April 2007 von der Beklagten verwen-deten Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht der Beklagten das Recht zu, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Ablauf der Min-destvertragslaufzeit von sechs Monaten und sodann zum Ablauf der um je ei-nen Monat verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen. Wenn die Be-klagte bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt dies nicht ohne weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 33; 179, 186, Tz. 26). Am 1. April 2007 hatten bereits sämtliche Kläger durch Widersprüche gegen vorangegangene Preiserhöhungen und durch Erhebung der vorliegenden Klage deutlich gemacht, dass sie mit den Preiserhöhungen der Beklagten nicht einverstanden sind. Für die Beklagte be-stand deshalb Anlass, auch eine Kündigung der mit den Klägern bestehenden Verträge in Betracht zu ziehen. Aus diesem Grund führt auch das Vorbringen der Beklagten, der von den Klägern bis zum 31. August 2004 geschuldete Preis vermöge jedenfalls nach dem Stand vom 1. August 2008 noch nicht einmal die Bezugsarbeitskosten der Beklagten zu decken, nicht zur Annahme eines Er-gebnisses, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt.

52

Offen bleiben kann, ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat (vgl. dazu auch unten unter II 1) und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksam-keit der Preiserhöhungen (durch Feststellungsklage oder durch Klage auf Rückzahlung geleisteter Entgelte) geltend macht. Sind in einem solchen Fall die Gestehungskosten des Gasversorgungsunternehmens erheblich gestiegen und ergibt sich daraus für die betroffenen Zeiträume ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Wert der von dem Unternehmen zu erbringenden Leistung und dem vereinbarten Preis, lässt sich die Annahme eines nicht mehr interessenge-rechten Ergebnisses jedenfalls hinsichtlich der länger zurück liegenden Zeitab-schnitte nicht ohne weiteres mit der Begründung verneinen, dass eine Kündi-gungsmöglichkeit bestand. Denn für das Versorgungsunternehmen bestand in einem solchen Fall zunächst kein Anlass, eine Kündigung des Vertrages in Er-wägung zu ziehen.

53

b) Ohne Erfolg wendet die Revision der Beklagten weiter ein, es sei zwi-schen dem "Ob" und dem "Wie" einer Preisänderung zu differenzieren. Diese Auffassung stützt die Beklagte auf die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Danach stellt bei Spareinlagen der Kunden ebenso wie bei Darlehen der Kreditinstitute die Wahl zwischen einer gleich bleibenden und ei-ner variablen Verzinsung eine freie, durch gesetzliche Vorschriften nicht vorge-gebene Entscheidung der Vertragspartner dar, die keiner AGB-rechtlichen In-haltskontrolle unterliegt (BGHZ 158, 149, 152 f.; BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422, Tz. 11). Die bei Unwirksamkeit (nur) der Zinsänderungsklausel, nicht auch der Vereinbarung über die Zinsvariabilität, entstehende Regelungslücke (hinsichtlich des "Wie" der Zinsänderung) ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008, aaO, Tz. 18). Diese Rechtsprechung lässt sich allerdings auf die vorlie-gende Fallgestaltung nicht übertragen, denn im Streitfall haben die Parteien nicht von vornherein einen variablen Preis vereinbart. Vielmehr geht es hier um die Befugnis der Beklagten zur nachträglichen Änderung eines ursprünglich vereinbarten (festen) Preises (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 - VIII ZR 320/07, WM 2010, 228, Tz. 46; Senatsbeschluss vom 26. Januar 2010 - VIII ZR 312/08, juris).

54

c) Soweit die Beklagte geltend macht, bei Bestätigung des Berufungsur-teils habe sie massenhaft Rückforderungsansprüche zu erwarten, die existenz-bedrohende Verluste zur Folge hätten, kann dahinstehen, ob diesem Umstand für die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung im Hinblick auf ein einseiti-ges Preisänderungsrecht Bedeutung zukommt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 37). Denn die Beklagte führt dazu keinen hin-reichenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen an.

55

II. Revision der Kläger

56

Die Kläger zu 2, 3, 4, 5, 7, 8, 9, 12, 14, 15, 16, 20, 21, 24, 25, 27, 31, 33, 35, 36, 37, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 55, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65 und 66 wenden sich gegen das Berufungsurteil, soweit das Berufungsgericht ihre Klage abgewiesen hat, weil die genannten Kläger die einseitigen Preiserhöhungen der Beklagten und die darauf basierenden Jahres-abrechnungen ohne Beanstandung in angemessener Zeit akzeptiert haben. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe haben Erfolg. Allein der Revision der Kläger zu 14, 24, 43, 55, 58 und 63 bleibt der Erfolg teilweise, nämlich in-soweit versagt, als sie sich auch gegen die aus anderen Gründen erfolgte Ab-weisung der Klage dieser Kläger hinsichtlich der Preisänderung vom 1. August 2008 richtet (siehe dazu unten unter 3).

57

1. Bei einer einseitigen Preiserhöhung eines Gasversorgungsunterneh-mens aufgrund einer Preisanpassungsklausel, die unwirksam oder - beispiels-weise mangels ordnungsgemäßer Einbeziehung - nicht Vertragsbestandteil ist, kann die vorbehaltlose Zahlung des erhöhten Preises durch den Kunden nach Übersendung einer auf der Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung nicht als stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis angesehen werden. Aus der Sicht des Kunden lässt sich der Übersendung einer Jahresabrechnung, die einseitig erhöhte Preise ausweist, nicht ohne weiteres der Wille des Versor-gungsunternehmens entnehmen, eine Änderung des Gaslieferungsvertrags hinsichtlich des vereinbarten Preises herbeizuführen. Selbst wenn der Kunde aufgrund der Rechnung Zahlungen erbringt, kommt darin zunächst allein seine Vorstellung zum Ausdruck, hierzu verpflichtet zu sein (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 279/06, NZM 2008, 81, Tz. 19). Der Umstand, dass eine Rechnung vorbehaltlos beglichen wird, enthält grundsätzlich über seinen Charakter als Erfüllungshandlung hinaus keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderungen insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen (Senatsurteil vom 11. November 2008 - VIII ZR 265/07, WM 2009, 911, Tz. 12 m.w.N.).

58

Allerdings hat der Senat zu einseitigen Preiserhöhungen in einem Tarif-kundenvertrag entschieden: Wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer öf-fentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahres-abrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis. Er kann deshalb nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit über-prüft werden (BGHZ 172, 315, Tz. 36; vgl. auch BGHZ 178, 362, Tz. 15 f.).

59

Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch, anders als das Berufungsge-richt meint, nicht auf Fälle übertragen, in denen nicht (nur) die Billigkeit der Preiserhöhung im Streit steht, sondern in denen es bereits an einem wirksamen Preisanpassungsrecht des Versorgungsunternehmens fehlt, weil die Preisan-passungsregelung nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam ist. Denn anders als in solchen Fällen ist bei einseitigen Preiserhöhungen in einem Tarifkundenvertrag gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (jetzt für Grundversor-gungsverträge: § 5 Abs. 2 GasGVV; zum Fall der unveränderten Übernahme dieser Preisanpassungsrechte in einen Sonderkundenvertrag siehe unten unter C) nicht zweifelhaft, ob das Versorgungsunternehmen den Preis überhaupt an-passen durfte; es besteht lediglich Ungewissheit darüber, ob die Preisanpas-sung der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB standhält. Diese gericht-liche Billigkeitskontrolle findet nur statt, wenn der Kunde die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung durch Klage geltend macht oder wenn er gegenüber der Leistungsbestimmung des Versorgers den Einwand der Unbilligkeit erhebt und der Versorger im Wege der Leistungsklage vorgeht (vgl. MünchKomm BGB/Gottwald, 5. Aufl., § 315 Rdnr. 47; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 315 Rdnr. 17; jeweils m.w.N.). Vor diesem Hintergrund hält der Senat es wei-terhin für gerechtfertigt, das Verhalten des Kunden, der nach Übersendung ei-ner auf einer einseitigen Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung weiter-hin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, dahin auszulegen, dass er die Billigkeit der Preis-erhöhung nicht in Frage stellt und ihr unter diesem Aspekt zustimmt. Hingegen kommt eine weiter gehende Auslegung des Kundenverhaltens dahin, dass er nicht nur die Billigkeit der jeweiligen einseitigen Preisänderung, sondern - so-weit es darauf ankommt - auch die Berechtigung des Versorgungsunterneh-mens zur einseitigen Preisänderung an sich akzeptiert, nicht in Betracht.

60

2. Das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Grün-den als richtig dar (§ 561 ZPO). Allerdings hat das Berufungsgericht die Klagen im Wesentlichen (vgl. im Übrigen sogleich unter 3) abgewiesen, soweit sie sich auf Preiserhöhungen beziehen, die vor dem 1. April 2007 erfolgt sind, also in einem Zeitraum, in dem die Beklagte grundsätzlich eine wirksame Preisanpas-sungsregelung verwendet hat (vgl. oben unter B I 3 a). Es steht aber nicht fest, ob der Beklagten in den jeweiligen Vertragsverhältnissen ein wirksam verein-bartes einseitiges Preisanpassungsrecht zustand, weil es bisher an den erfor-derlichen Feststellungen fehlt, ob die AVBGasV mit dem darin enthaltenen Preisbestimmungsrecht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV in die zwischen den Parteien jeweils bestehenden Vertragsverhältnisse wirksam einbezogen worden sind (siehe dazu auch unten unter C).

61

3. Das Berufungsgericht hat die Klage der Kläger zu 14, 24, 43, 55, 58 und 63 auch abgewiesen, soweit sie sich auf die Preisänderung vom 1. August 2008 bezieht, weil die Vertragsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt jeweils bereits beendet waren. Dies wird von der Revision der Kläger nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

C.

62

Nach alledem ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen, soweit das Berufungsgericht die ab 1. April 2007 erfolgten Preiserhöhungen als unwirksam angesehen hat.

63

Hingegen ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzu-heben, soweit hinsichtlich der vor dem 1. April 2007 erfolgten Preiserhöhungen zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit insoweit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Beru-fungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zur wirksamen Einbeziehung der AVBGasV in die zwischen den Parteien jeweils bestehenden Vertragsverhältnisse und - sofern eine wirksame Einbeziehung zu bejahen ist - zur Billigkeit der vor dem 1. April 2007 vorgenommenen Preiser-höhungen (§ 315 BGB) getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

64

Ferner ist das Berufungsurteil auf die Revision der Kläger zu 2, 3, 4, 5, 7, 8, 9, 12, 14, 15, 16, 20, 21, 24, 25, 27, 31, 33, 35, 36, 37, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 55, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65 und 66 auf-zuheben, soweit zu deren Nachteil erkannt worden ist (mit Ausnahme der Kla-geabweisung hinsichtlich der Preiserhöhung vom 1. August 2008; vgl. dazu oben unter B II 3). Das gilt - wie bereits dargelegt (vgl. oben unter B II 2) - auch, soweit das Berufungsgericht die Klagen hinsichtlich der vor dem 1. April 2007 erfolgten Preiserhöhungen abgewiesen hat. Der Rechtsstreit ist auch insoweit nicht zur Endentscheidung reif, weil es bisher an den erforderlichen Feststel-lungen zur wirksamen Einbeziehung der AVBGasV in die zwischen den Partei-en jeweils bestehenden Vertragsverhältnisse fehlt (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sofern hinsichtlich der Vertragsverhältnisse dieser Kläger eine wirksame Einbe-ziehung der AVBGasV zu bejahen sein sollte, weist der Senat für das weitere Verfahren im Hinblick auf die Billigkeit der Preiserhöhungen (§ 315 BGB) auf Folgendes hin:

65

Der Senat hat zu einseitigen Preiserhöhungen in einem Tarifkundenver-trag entschieden: Eine Preiserhöhung kann auch deshalb der Billigkeit wider-sprechen, weil die bereits zuvor geltenden Tarife des Gasversorgers unbillig überhöht waren. Das gilt jedoch nicht, wenn die Preise bis zu der streitgegen-ständlichen Preiserhöhung von dem Versorger nicht einseitig festgesetzt, son-dern zwischen den Parteien vereinbart worden sind (BGHZ 172, 315, Tz. 28 f.; 178, 362, Tz. 15). Wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer öffentlich be-kannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu bean-standen, wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einsei-tig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis. Er kann deshalb nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft wer-den (BGHZ 172, 315, Tz. 36; vgl. auch BGHZ 178, 362, Tz. 15 f.).

66

Dieser Grundsatz ist - sollte eine wirksame Einbeziehung der AVBGasV in die zwischen den Parteien jeweils bestehenden Vertragsverhältnisse zu be-jahen sein - auch im vorliegenden Fall anzuwenden, soweit die Kläger geltend machen, die umstrittenen Preiserhöhungen seien unbillig im Sinne des § 315 BGB. In dogmatischer Hinsicht besteht insoweit kein entscheidungserheblicher Unterschied zwischen Sonderkundenverträgen einerseits und Tarifkundenver-trägen oder Grundversorgungsverträgen andererseits, denn auch bei Sonder-kundenverträgen sind konkludente vertragliche Vereinbarungen möglich. Der Senat hält es daher auch bei Sonderkundenverträgen für interessengerecht, nach Übersendung einer auf der Grundlage einer einseitigen Preiserhöhung vorgenommenen Jahresabrechnung durch das Versorgungsunternehmen und anschließender Fortsetzung des Gasbezugs durch den Kunden ohne Bean-standung der Preiserhöhung gemäß § 315 BGB in angemessener Zeit den zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltenden, zuvor einseitig erhöhten Preis nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit zu überprüfen (vgl. dazu oben unter B II 1). Die erforderliche Bestimmtheit des Preises ist bei einer un-veränderten Übernahme des gesetzlichen Preisanpassungsrechts gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (jetzt: § 5 Abs. 2 GasGVV) in einen Sonderkundenver-trag aufgrund der Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten des Versorgungs-unternehmens gewährleistet.

Ball Dr. Frellesen Dr. Milger

Dr. Achilles Dr. Schneider

Vorinstanzen:

LG Oldenburg, Entscheidung vom 22.11.2007 - 9 O 403/06 -

OLG Oldenburg, Entscheidung vom 05.09.2008 - 12 U 49/07 -